Sonntag, 29. Juli 2007

Von nun an

Ich war gerade 10 Jahre alt geworden und ein sehr verwöhntes fröhliches Einzelkind.
Meine Mama und mein Papa hatten sich sehr lieb. Es wurde viel gelacht und gealbert bei uns zu Hause. Ich war das totale Papakind, konnte ich ihn doch so schön um den Finger wickeln. Meine Mama sang fortwährend und strickte meiner Puppe Elisabeth neue Kleidung.

Nun sollte ich noch ein Geschwisterchen bekommen.
Darauf freute ich mich sehr. Endlich wäre da noch jemand zum spielen. Als der Geburtstermin kurz bevor stand, kam meine Oma aus Norddeutschland, die Mama meiner Mama, zu uns ins Rheinland zu Besuch. Wir sollten ja auch wenn die Mama ins Krankenhaus musste gut versorgt sein.

Sie wurde also in die Klinik gebracht, und mein Papa fuhr zu ihr. Und die Oma und ich, wir warteten ganz gespannt auf sein Wiederkommen. Als er dann endlich zurück war, verkündete er voller Stolz: "Es ist ein Mädchen. Du hast ein Schwesterchen." Ich tanzte um ihn herum und sang :" Ein Schwesterchen, ein Schwesterchen..."

Mein Vater fuhr am nächsten Tag wieder ins Krankenhaus. Er blieb sehr lange dort, und ich durfte nicht aufbleiben bis er zurück war.
Morgens erwachte ich, als die helle Sonne schon lustige Kringel auf meiner Bettdecke malte. Was war los? Ich musste doch zur Schule? Warum hatte mich denn keiner geweckt?
Ich schlüpfte in meine Pantoffeln und hüpfte die Treppe hinunter und platzte in die Küche, wo mein Papa und die Oma mich mit sorgenvollen Gesichtern ansahen: "Was ist los? Warum habt ihr mich nicht geweckt? Ich muss doch zur Schule!"
"Nein, heute musst Du nicht in die Schule!" sagte mein Vater. Er klang sehr ernst. Ich spürte, dass irgend etwas passiert war. "Komm mal her zu mir." Ich setzte mich zu ihm auf den Schoss. "Die Mama ist heute Nacht verstorben!"
Ich begriff garnichts: "Wie, verstorben? Was heißt das?" "Ich meine, sie ist gestorben." "Aber, warum sagst Du dann verstorben, wenn Du gestorben meinst!" Ich hatte es immer noch nicht kapiert. "Das ist nur ein anderes Wort für gestorben." Jetzt langsam verstand ich. "Wird sie nicht mehr wieder kommen?" "Nein, sie ist jetzt im Himmel." "Und mein Schwesterchen?" "Das können wir in ein paar Tagen nach Hause holen."

Von nun an war ich die Große, Vernünftige.
Das Lachen kam nicht mehr in unser Haus zurück. Das hatte die Mama mitgenommen.

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